Strahlende Zuversicht in Fukushima
REPORTAGE | 13. November 2011 17:30
Erstmals seit dem Reaktorunglück in Fukushima am 11. März durften Journalisten das Gelände des Atomkraftwerks besichtigen. |
Japans Regierung hat erstmals Journalisten in das Atomkraftwerk gelassen
Die Anfahrt zu den strahlenden Ruinen des AKWs Fukushima 1 gleicht einem Schnellkurs in Sachen Atomkatastrophe. Geisterstädte säumen die Straßen, während in den Bussen langsam die Strahlenmesser höher schnellen. 20 Kilometer südlich der Meiler liegt der Ausgangspunkt für eine Reise von drei Dutzend Journalisten, die die Regierung erstmals seit dem Erdbeben am 11. März aufs Gelände ließ. Der Standard-Korrespondent ist "huckepack" dabei:
Die Regierung hat nur einen Platz für ausländische Print-Reporter vorgesehen. Unter Protest haben 23 Agenturen und Zeitungen einen Vertreter ausgelost. Der Gewinner ist Martin Fackler von der New York Times.
Die Strahlenbelastung steigt kontinuierlich, während sich die Besucher dem Kraftwerk nähern. Ab Okuma, rund fünf Kilometer südlich der Meiler, stößt der Strahlenmesser kontinuierlich seinen Warnton aus. Als die Atemschutzmasken angelegt werden, misst das Dosimeter 6,7 Mikrosievert pro Stunde. Dann wird es richtig ungemütlich. Noch drei Kilometer: 15 Mikrosievert. Am Tor zum AKW: 20 Mikrosievert. Auf dem Gelände wird das Dosimeter an einem Ort kurzfristig sogar 300 Mikrosievert pro Stunde anzeigen.
Reaktoren stabilisiert
Goshi Hosono, Minister für Atomkrise und Umweltschutz, betritt im blauen Arbeitsanzug das Krisenmanagementzentrum. Er will der Welt zeigen, dass die Lage unter Kontrolle ist. Das vierte Mal sei er hier, sagt er. "Und jedes Mal, wenn ich wiederkomme, merke ich, dass sich die Bedingungen verbessert haben." Auch AKW-Manager Masao Yoshida verstrahlt Zuversicht: Die Reaktoren seien stabilisiert, die geschmolzenen Brennstäbe würden gekühlt. Wie von der Regierung gefordert könne die Anlage bis Ende des Jahres "definitiv" die zweite Stufe der Rettungsarbeiten abschließen, also einen Zustand erreichen, in dem die Temperatur in den Reaktoren unter 100 Grad Celsius gehalten werden kann.
Ein Blick über das Gelände zeigt allerdings, dass die Lage noch lange nicht normal ist. Zertrümmerter Stahlbeton, zerknautschte Lastwagen, zerfetzte Rohre, aufgebrochene Straßen - überall mahnen die Zeugen von Tsunami, Erdbeben und Wasserstoffexplosionen, die die Gebäude von Reaktor 1 und 3 total zerfetzt und ein Loch in Reaktor 4 gesprengt haben. Nur einige Krähen und Libellen tummeln sich unbeschwert über den Trümmern.
Die Aufräumarbeiten gehen wegen der hohen Strahlung nur langsam voran. Bisher wird lediglich Reaktor 1 von einem provisorischen Gebäude umschlossen, bei Reaktor 3 laufen die Aufräumarbeiten noch. Minister Hosono ist bei allem Optimismus realistisch: Erst in 30 Jahren werden die Reaktoren voraussichtlich endgültig abgebaut werden können. (Martin Kölling aus Tokio, DER STANDARD-Printausgabe, 14.11.2011)
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