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Samstag, 26. Januar 2013

Willkommen im Jahr Heisei 25!

Als temporäre Bewohner einer der fernöstlichen Zeitzonen hatten wir das Privileg, diesen Jahreswechsel ein paar Stunden früher zu erleben als die Deutschen. Und da Japan Japan ist und nicht Deutschland läuft eine Neujahrsfeier hier selbstverständlich auch geringfügig anders ab als in der entfernten Heimat.

Die Party, die im Studentenwohnheim organisiert wurde, begann am frühen Abend im Fernsehraum, wo auf zwei Kochplatten bereits Nabe (oder auch Nabemono) zubereitet wurde, eine Art Eintopf der für meine kochkunstmäßig vollkommen untrainierten Augen so zufällig zusammengeworfen aussieht dass ich unmöglich alle Zutaten aufzählen könnte die dort hinein gehören. Unter anderem waren darin jedoch Kohl, Pilze und Sojasprossen zu finden und wenn ich mich nicht völlig irre auch eine Art kleiner Hackbällchen. Später kam auch noch dünn geschnittenes Rindfleisch dazu.



Kurze Zeit später wurden dann auch noch die traditionellen Neujahrs-Soba zubereitet (das sind bräunliche, lange Nudeln aus Buchweizen) und  ich hatte bereits überhaupt keinen Appetit mehr und habe deshalb gar nichts davon gegessen. Ansonsten gab es natürlich auch etwas zu trinken - Bei dieser Feier jedoch fast nur Softdrinks, weshalb ich mir mein eigenes Bier mitgebracht habe. Ich brauche eben mein Bier.


Als alle reichlich gegessen und getrunken hatten wurde die Feier kurzzeitig einen Raum weiter verlegt, wo eine Art Spielbrett mit Zetteln auf dem Boden vorbereitet wurde. Quasi das Spiel des Lebens auf Japanisch, wobei die Anweisungen auf den Feldern eher an Wahrheit oder Pflicht erinnerten. Irgendwer hatte einen übergroßen sechsseitingen Würfel vorbereitet - da der selbstgebastelte Karton aber nicht einmal zwei gleich große Seiten zu haben schien funktionierte er nicht so besonders gut und wir wichen auf eine Würfel-App für's Smartphone aus. Mit mehr Teilnehmern als ich mir die Mühe machen wollte zu zählen schien es zwar nicht die geringste Logik in der Würfelreihenfolge zu geben und Leute die aufgrund des Feldes auf dem sie standen eine Runde aussetzen mussten standen dort daher auch gern mal drei Runden, aber Spaß machte es trotzdem. Als alle, oder zumindest die meisten, dann endlich durch das Ziel waren, wurden die Zettel vom Boden entfernt und das nächste Spiel wurde vorbereitet.

Wie dieses Spiel hieß, weiß ich nicht mehr wirklich, aber ich würde es als eine Mischung aus Memory und Rommé bezeichnen. Wir wurden aufgeteilt in die zwei Teams Weiß und Rot, wobei es mir ein Rätsel ist, weshalb das zweite Team rot war, anstatt schwarz, und setzten uns auf den Boden vor eine Linie, gegenüber vom Gegnerischen Team. Zwischen den Teams war etwas weniger als ein Meter Platz und in diesem Freiraum wurden drei oder vier Sets von Spielkarten verteilt, von denen jedes Set jeweils eine Karte von jedem Hiragana (japanisches Schriftsystem) zeigte. Von einem Zettel wurden nun vorbereitete kurze Sätze auf Japanisch vorgelesen, wobei das erste gelesene Zeichen das war, das man auf dem Boden suchen und schneller erwischen musste als das Gegnerische Team. Mein Team hat gewonnen! GO GO TEAM WEIß!!!

Als wir mit den Spielen fertig waren und die Streifen aus Gaffa-Tape wieder vom Boden entfernten bemerkten wir einen Fehler: Das Tape hatte überall auf dem Linoleum wunderbare dicke Streifen hinterlassen. Nun war also erst einmal sauber machen angesagt. Es war geradezu lächerlich wie ein paar Leute auf dem Boden saßen und mit Stäbchen die Klebeband-Reste vom Boden kratzten weil nichts anderes funktionierte. Ich holte selbst irgendwann ein Messer aus der Küche weil ich hoffte es würde damit schneller gehen. Natürlich brauchte ich nicht lang um mich zu schneiden, ich Intelligenzbestie. Andere taten es mir nach (das mit dem Messer, nicht die Selbstverstümmelung) und irgendwann musste auch eines von den Messern das zeitliche segnen. Alles in allem war es aber ein ganz lustiges Kratz-Spiel. Wie ein riesiges Rubbellos.

Wir haben den Raum am Ende tatsächlich wieder sauber bekommen und damit so viel Zeit verbracht dass es nun praktischerweise auch kurz vor Mitternacht war. Der Countdown zu Schlag Zwölf läuft natürlich auch in Japan nicht anders ab als in Deutschland - Es wird bis Mitternacht heruntergezählt, es wird angestoßen mit was auch immer man gerade trinkt und es werden Neujahrswünsche hin und her geworfen.

Und nun wird es Japanisch.

Anders als wir es gewohnt sind, wird in Japan zum Neujahr nicht alles mögliche teure Zeug gekauft, angezündet und in die Luft gejagt. Wenn ich ehrlich bin halte ich das allerdings schon seit ein paar Jahren für reine Geldverschwendung und bin deshalb recht froh darum,  dass hier am ersten Januar die Straßen nicht aussehen wie nach 'nem Bürgerkrieg.

Was hier jedoch nach Schlag Mitternacht gemacht wird erinnert eher an den alljährlichen Gang zur Kirche an Heiligabend. Es nennt sich Hatsumoude (初詣), der erste Schreinbesuch im neuen Jahr. Und da wir hier in Japan sind, haben wir bei dem ganzen Zeug natürlich mitgemacht. Ist mir ja eigentlich relativ egal welcher Gott es ist an den ich gerade nicht glaube. Wir haben also allesamt unsere Fahrräder genommen und sind zusammen in die Stadt gefahren zum nächsten Schrein. Und meine Güte, war da viel los... ! Ich bin mir ja nicht mehr sicher, was ich eigentlich erwartet hatte, aber dieser Anblick war doch recht interessant. Überall in der Nähe des Schreins waren zusätzliche Parkgelegenheiten eingerichtet worden, die allerdings alle bereits belegt zu sein schienen. Wir fanden irgendwann einen Punkt an dem wir unsere Fahrräder abstellen konnten und stellten uns dann an. Richtig - An dem Schrein gab es eine Schlange von solchen Ausmaßen dass man hätte denken können man stehe für eine Achterbahn im Europapark zur Hochsaison an. Alle fünf bis zehn Minuten wurde am Anfang der Schlange eine weitere große Gruppe zur Treppe durch gelassen und als wir an der Reihe waren und die Treppe hinauf gingen, standen wir oben wieder an. Etwa zehn Meter weiter war dann eine breite Plane aufgespannt, auf die man sein Fünf-Yen-Stück werfen konnte, um ein bisschen zu beten, sich etwas zu wünschen und so weiter. Die reinste religiöse Massenabfertigung.
War man nun fertig damit einem Gott zu huldigen von dem ich nicht einmal weiß, welcher es war (lustigerweise konnte mir das auch niemand beantworten), konnte man bei dem speziell dafür vorbereiteten kleinen Verkaufsstand für zweihundert Yen ein Omikuji (御神籤) erstehen, eine Art Lotterie-Orakel, auf dem das Glück für das kommende Jahr prophezeiht wird. Auf meinem Zettel stand, wie mir gesagt wurde, weil ich das selbst nicht lesen konnte, dass ich großes Glück habe. Das stand allerdings bei den meisten, daher habe ich leider keine Ahnung was man mit einer schlechten Prophezeihung anstellen sollte.

Am Schrein war die Arbeit nun getan und die meisten gingen nach Hause - Eine kleine Gruppe blieb jedoch übrig und wollte mit der angebrochenen Nacht noch etwas sinnvolles anfangen, also gingen wir wohin? Natürlich. Zum Karaoke!
Irgendwie erstaunte es mich ja, dass gerade um diese Zeit immernoch ein paar Geschäfte auf hatten, doch es sicherte uns den Spaß. Nun wurden bis morgens um halb sechs alle möglichen Songs rauf und runter gesungen und ein kleines Experiment meinerseits zeigte dass wenn man Dschingis Khan spielt, ungeachtet der Tatsache dass die meisten kein Wort Deutsch sprechen, jeder mitgrölt! Hey, Männer, Ho, Männer, Tanzt, Männer, So wie immer!

Das war ein sehr interessantes und enorm spaßiges Neujahrsfest.

In diesem Sinne: Frohes Neues Jahr!

P.S.: Und bitte entschuldigt die Verspätung - Ich habe einen chronischen Mangel an Motivation.

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