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Dienstag, 18. Oktober 2011

AKW-Betreiber zieht Kunststoff-Plane über Reaktor (spiegel.de Artikel)



Mit Polyester gegen Strahlung: Der japanische Energiekonzern Tepco hat über eines der demolierten Reaktorgebäude auf dem AKW-Komplex Fukushima eine Plane montiert. Sie soll das Austreten weiterer Radioaktivität verhindern. Doch selbst ein Erfolg der Maßnahme löst nicht das größte Problem.


Tokio - Die Arbeiten auf der AKW-Ruine Fukushima gehen langsam voran: Nachdem es dem Reaktorbetreiber Tepco im September erstmals gelungen war, die Temperaturen in den drei beschädigten Reaktoren unter 100 Grad Celsius zu kühlen, wurde das Reaktorgebäude 1 jetzt mit einer Plane abgedeckt.
Die Plane aus Polyester soll das weitere Austreten von Radioaktivität verhindern, meldete Tepco am Montag. Und das ist auch wichtig, denn nach Angaben Tepcos sowie der japanischen Agentur für Nuklearsicherheit (Nisa) tritt weiterhin Radioaktivität aus. Mit Hilfe eines Stahlgerüsts montierten die Arbeiter über dem Reaktorgebäude die riesigen Planen. Nach Angaben eines Tepco-Sprechers soll die neue Hülle, zusammen mit einem Belüftungssystem, etwa 90 Prozent der Radioaktivität abfangen.
Bis Ende Oktober soll das System fertig sein. Bei einem Erfolg sollen auch die beschädigten Reaktorgebäude drei und vier Polyesterhüllen erhalten, hieß es. Die Plane kann erst jetzt angebracht werden, da zunächst eine Kühlung der Reaktoren unter 100 Grad Celsius erreicht werden musste. Nur so kann Tepco eine sogenannte Kaltabschaltung der Reaktoren erreichen. Und diese ist Voraussetzung dafür, dass keine spontane Kernspaltung mehr stattfinden kann. Denn in einem kalt abgeschalteten Reaktor kocht das Kühlwasser unter normalem Druck nicht mehr.
Erfolge werden noch nicht gefeiert
Die Kühlung unter 100 Grad war mit Hilfe eines neuen Systems möglich, das Tepco vor wenigen Monaten installiert hatte. Als Erfolg wollen die Experten die Kühlung aber noch nicht feiern. "Wir müssen die Temperaturen weiterhin im Auge behalten", sagte der Nisa-Sprecher Yoshinori Moriyama. Erst wenn die Temperaturen sich dauerhaft nicht verändern, werde man die Kaltabschaltung offiziell verkünden.
Die Ankündigung der Kaltabschaltung wird auch Folgen haben: Denn sie wäre eine der Voraussetzungen für die Regierung, den etwa 80.000 Einwohnern der Sperrzone wieder zu erlauben, in ihre Häuser zurückzukehren. Laut Tepco könnte die Kaltabschaltung noch Ende des Jahres erzielt werden. Doch selbst dann hat Japan noch eine Mammutaufgabe vor sich - die Entseuchung der kontaminierten Gebiete. Und diese dürfte sich angesichts der schieren Mengen an verseuchtem Boden noch eine lange Zeit hinziehen, wie Experten erst vor Kurzem berechnet hatten.Ob die Plane über dem Reaktor 1 tatsächlich den Austritt von Radioaktivität stoppen kann, gilt es derweil noch zu zeigen. Nach Angaben der Nisa lässt sich nicht ohne weiteres sagen, wo sich der Kernbrennstoff befindet. Die Wahrscheinlichkeit bestünde, dass er sich bereits durch die Reaktordruckkammer durchgeschmolzen hat.
Die Messungen Tepcos zeigen immerhin, dass der Gesamtaustritt von Radioaktivität aus dem Gelände im vergangenen Monat gesunken ist - nach Angaben des Betreibers um die Hälfte. Wie der Vizepräsident Tepcos, Zengo Aizawa, in einer Pressekonferenz mitteilte, betrage die austretende Menge aus den Reaktoren insgesamt 100 Millionen Becquerel pro Stunde. Das entspreche einem Achtmillionstel der Menge an Radioaktivität, die zu Beginn der Katastrophe aus den Reaktoren ausgetreten war. Umgerechnet bedeute das eine Strahlenbelastung von 0,2 Millisievert pro Jahr. Zum Vergleich: Die Belastung durch die natürliche Hintergrundstrahlung beträgt in Japan 2,4 Millisievert pro Jahr.
Vergangene Woche hatte die Internationale Atomenergiebehörde einen Zwischenbericht (IAEA) vorgelegt, in dem sie die Bemühungen Japans zur Atomkatastrophe bewertet. Das Ergebnis: Vor allem bei der Entseuchung der kontaminierten Gebiete müsse die Regierung effizienter vorgehen, so die IAEA. Bis Mitte November wollen die IAEA-Experten der Regierung den Abschlussbericht vorlegen.


Quelle: http://www.spiegel.de/wissenschaft/technik/0,1518,792316,00.html

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